Integration von Bauprozessen in ERP-Systeme
Zuerst einmal: ERP bedeutet Enterprise-Resource-Planning und unterstützt sämtliche in einem Unternehmen ablaufende Geschäftsprozesse. Bestenfalls sollen alle Prozesse in einem Unternehmen abgedeckt werden und Funktionen bieten, die sowohl für Holding-Gesellschaften als auch für kleinere Tochtergesellschaften zu einem profitablen Wirtschaften führen.
Der Forschungsschwerpunkt bezieht sich auf die bauspezifische Projektleistungserstellung (Kernprozesse), die Zentralebereiche des Unternehmens (unterstützende Prozesse) und Servicebereiche (begleitende Prozesse). Bauunternehmen besitzen häufig auch erweiterte Kernprozesse, wie Fertigteilwerke, Gerätedienstleistungen oder Immobilienverwaltungen, die als eigenständige Einheiten im Unternehmen platziert sind. Somit müssen alle Geschäftsprozesse, die in einem individuell aufgestellten Bauunternehmen anfallen, innerhalb einer IT-Lösung abgedeckt werden.
Ziel ist die Erarbeitung allgemeingültiger Prozesse von Bauunternehmen, die alle Individualitäten abdecken können. Um diese Bauprozesse aufnehmen zu können, ist die Organisation der Bauunternehmung der wichtigste Bezugspunkt für die Implementierung eines ERP-Systems. Jedoch dürfen nicht das ERP-System oder die Summe der angewandten Softwareprodukte die Unternehmung bestimmen, sondern die bauspezifischen Standardprozesse müssen von der IT-Struktur gelöst werden.
Der Ausgangspunkt ist somit die Aufbauorganisation eines Bauunternehmens, welche den Sinn und Zweck in der Schaffung von Gliederung und Ordnung des Leistungserstellungsprozesses aufzeigt.
In einer Matrixorganisation lässt sich die exakte Abgrenzung, Zuständigkeit und Verantwortung von Unternehmensbereichen festhalten. Die weitere Unterteilung erfolgt in Unternehmens-, Projekt-/Multiprojektebene und ist für eine klare Zuordnung der Prozesse notwendig.
In der Ablauforganisation werden die raumzeitlichen Strukturierungen derjenigen Arbeitsprozesse festgehalten, die zur Aufgabenerfüllung notwendig sind. Entscheidend ist das Zerlegen des Wertschöpfungsprozesses in Projektphasen. Somit können die in der Aufbauorganisation enthaltenen funktionalen Bereiche den verschiedenen Ebenen im Projektleistungsprozess zugeordnet werden.
Das ERP-System bildet u.a. die Finanz- und Betriebsbuchhaltung, das Personalmanagement, das Unternehmens- und Projektcontrolling mit entsprechendem Berichtswesen, den Einkauf, die Projektsteuerung, bis hin zur Geräte- und Produktionssteuerung ab. Die Standardprozesse einer Bauunternehmung lassen sich alle abbilden, sodass die speziellen Aufgaben und Funktionen, wie z.B. Business Intelligence (siehe „BI“) oder auch die Kalkulation (siehe „Modellbasierte Kalkulation und Bausteuerung“) separat an dem ERP-System angepasst, angewandt werden. Da die Kalkulation in Bauunternehmen eine gesonderte, eher technisch geprägte Stellung hat, bleibt diese Software gesondert bestehen. Das ERP-System, welches das führende System aufgrund der buchhalterischen Funktion ist, benötigt Schnittstellen zur Kalkulationssoftware, um die Projektleistungstätigkeiten in die Unternehmensebene einbeziehen zu können.
Bei der genaueren Betrachtung des Bauunternehmens wird ersichtlich, dass die unterschiedlichen Geschäftsfelder verschiedene Schwerpunkte in der Projektausführung hervorbringen. Durch eine Priorisierung der Funktionen in den einzelnen Geschäftsfeldern lassen sich Bauunternehmen mit ihren Eigenschaften klassifizieren. Die Ausrichtungen der jeweiligen Geschäftsfelder lassen so eine Vorauswahl für entsprechende Module des ERP-Systems zu.
So ist beispielsweise für ein Bauunternehmen mit geräteintensiver Sparte, wie der Spezialtiefbau, eine Gerätemanagementlösung zwingend notwendig. Häufig werden Zusatzsysteme in verschiedener Ausprägung in der Praxis angewandt, ohne sich Gedanken über die Anbindung in die Unternehmensebene zu machen. Somit entstehen u.a. weitere Schnittstellen zur Finanz- und Betriebsbuchhaltung und erschweren eine Betrachtung auf der Multiprojektebene. Diese Art der Insellösungen bringt nicht nur funktionale Einschränkungen mit sich, sondern spricht gegen eine vollständige Komplettlösung. Zu häufig werden nicht die notwendigen Funktionen des Bauunternehmens abgebildet, sondern nur die Funktionen, die von der eingesetzten Software angepriesen wird.
Für moderne mittelständische Bauunternehmen sollte es das Ziel sein, die Gesamtheit der Geschäftsprozesse mit IT-Software abzudecken. Im Rahmen unserer Forschungstätigkeiten nutzen wir die Anwendung SAP ERP, da es einen Großteil der bauspezifischen Geschäftsprozesse abdecken kann. Beispiele hierfür sind: Finanzbuchhaltung, Betriebsbuchhaltung, Unternehmens- und Projektcontrolling, Einkauf von Material, Dienstleistungen und Nachunternehmern, Baulohn- und Gehaltsabrechnung, Personalverwaltung, Gerätemanagement, ARGE-Buchhaltung, Immobilienverwaltung, Konsolidierung, stationäre Produktion, usw.
Ansprechpartner: Marc Huber