Die Exkursion der Studierenden von Hörtechnik und Audiologie führte im Sommersemester 2017 nach Amsterdam. Von den dortigen Eindrücken berichtet Student Sebastian Pietsch.
Nach der frühen Anreise per Bus stand uns der restliche Montag zur freizeitlichen Gestaltung offen. Jedoch zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen. Widmen wir uns also erst dem offiziellen Programm unserer Exkursion nach Amsterdam.
Aufgeteilt in zwei Gruppen, besuchte der eine Teil von uns die zwei Tonstudios Wisseloord und Polyhymnia. Dort erhielten wir zum einen Einblicke in die zeitgenössische Produktion von populärer Musik und zum anderen in die Nachbearbeitung von Life-Aufnahmen großer Orchester, sowie ein Bild des historischen Werdegangs von High-Resolution Audioformaten, insbesondere der späten 90er Jahre. Die Erkenntnis, dass erstklassige Lautsprechersysteme ihren Preis sehr wohl wert sind, gab es gratis dazu.
Für Interessierte, die nicht bereits auf dem Weg zum Studiobesuch waren, wurde zunächst ein Besuch in der Ausstellung "Body Worlds" angeboten. Die Ausstellung umfasst diverse Exponate, die direkt aus dem menschlichen Körper entnommen und präpariert wurden. Einzelne Organe und Gewebeschichten, Körperteile, wie aber auch komplette menschliche Körper in unterschiedlichen Entwicklungsstadien konnten dort zum Anfassen nah betrachtet werden. Zusätzlich bestand die Möglichkeit, über einen Audio-Guide weitere Informationen zur Anatomie zu erhalten.
Nach einer kurzen Mittagspause wurden wir dann in der audiologischen Abteilung des VU University Medical Center freundlich empfangen. Nach einer Begrüßung und einer Führung durch die Abteilung stellten die dortigen Mitarbeitenden und Forschenden in kurzen Präsentationen die derzeit laufenden Forschungsprojekte vor, zusätzlich konnten anschließend bei Posterpräsentationen weitere Fragen gestellt und sich über vergangene Projekte informiert werden. Besonders im Gedächtnis blieb der Ausbildungsverlauf eines Audiologen in den Niederlanden, der anders als in Deutschland z.B. immer einen Master in Physik voraussetzt. Frau Holube schloss den Nachmittag mit einer Präsentation über die an der Jade Hochschule laufenden Projekte ab.
Geschlossen begaben wir uns Mittwoch mit dem Bus zur technischen Universität nach Eindhoven. Mit Sandalen, extravagant gemustertem Hemd und viel Sachkompetenz leitete uns Prof. Kohlrausch durch die Abteilung für Bauakustik und fütterte unsere Köpfe mit allerhand Wissenswertem über das Leitbild der TU. Die ausgelassene Atmosphäre sowie die Aussicht, dass auch unsere Mägen gefüllt werden würden, sorgte für eine gesonnene Teilnahme an den Experimenten, bei denen einige von uns Studenten bei der Vermessung von Teppichproben für Trittschalldämmungen eine modellreife Darbietung bewiesen.
Nachdem wir uns an einer breiten Variété belegter Brötchen gestärkt hatten, brachte uns Prof. Kohlrausch seinen Lehrstuhl für auditorische und multisensorische Wahrnehmung nahe. So verließen wir Eindhoven erschöpft von der Hitze aber voll von den vielen Eindrücken des Tages und begaben uns zurück in unser Hotel.
Donnerstag war der Tag der kulturellen Impressionen, die weiter auseinander nicht hätten sein können. Ein Teil der Exkursionsteilnehmer erlebte den Kontrast zwischen postmoderner Baukunst, die Ästhetik und Funktionalität zu verbinden weiß, und dem klassisch zeitlosem, zu weilen pompösen und detailverliebten Stil des späten 19. Jahrhunderts. Die Rede ist von den zwei großen Musikhäusern Amsterdams, dem Muziek- und dem Concertgebouw. Ersteres erinnert durch seinen Standort direkt am Wasser und einen hängend gestalteten Zugang eher an Landungsbrücken, wohingegen der Concertgebouw die Besucher in eine fast schon romantische Welt entgleiten lässt. Musikalisch sind beide Gebäude über jeden Zweifel erhaben, bedienen aber verschiedene Ansprüche. Das Concertgebouw lässt sich zu den vier besten Konzertsälen der Welt zählen und bietet eine beliebte Bühne für klassische Musik. Das Muziekgebouw bietet dagegen neben einem klassischen Saal auch eine Jazzgalerie mit sensationellem Ausblick über die Dächer Amsterdams. Wir lauschten dort den Tönen eines Blech-Ensembles Amsterdamer Musikstudenten.
Der andere Teil der Exkursionsgruppe besuchte die Firma Sonion, die unter anderem Wandler für Mikrofone und Lautsprecher herstellt, welche in sehr vielen Hörgeräten oder In-Ear-Monitoring-Hörern zu finden sind. Zunächst wurde uns die Firma vorgestellt. Nicht nur die Geschichte der Firma sondern auch die derzeitige Aufstellung und Struktur wurde ausführlich behandelt. Die Führung durch die Firma gewährte zahlreiche Einblicke in die Arbeit, die in solch einer Firma geleistet wird, von der Entwicklung und den Tests bis hin zum Bau der Prototypen, die dann zur Produktion in andere Länder gesendet werden. Anschließend folgte ein interaktiver Part, bei dem wir uns selbst darüber Gedanken machen sollten, was wir von einem potenziellen Arbeitgeber erwarten und was als Arbeitnehmer an Kompetenzen mitgebracht werden sollte. Außerdem wurden wir über den Verlauf der Eingliederung neuer Mitarbeiter sowie Möglichkeiten für Praktika, Bachelor-Arbeiten, etc. informiert. Mit dem sehr technischen Schwerpunkt ist die Firma Sonion auch für Technik affine angehende Audiologen ein potenzieller Arbeitgeber, jedoch sind in der Firma auch viele Physiker, Elektrotechniker und Informatiker zu Hause. Herr Blau informierte seinerseits interessierte Mitarbeiter über die laufenden Forschungsprojekte an der Jade Hochschule.
Die Abendstunden wurden von uns ausgiebig genutzt, um die Stadt, mit all ihren Grachten, Fahrrädern und prächtigen Bauten zu erkunden. Mit Bus oder Straßenbahn ging es vom Hotel in kurzer Zeit ins Zentrum Amsterdams, von dort aus konnte man sich unter die zahlreichen Fußgänger und zahlreicheren Fahrradfahrer mischen. Vor allem letztere verfügten offenbar über absolute Vorfahrtsansprüche, die unsere Ausweichfähigkeit auf harte Proben stellten. Ineinander übergehende sich verästelnde Gassen ziehen sich wie ein Geflecht aus Nerven neben Grachten und über sie hinweg durch Häuserschluchten, um sich schließlich in Parks oder Plätzen zu bündeln. Diese Stadt pulsiert. Das Überschreiten von Brücken wirkte, als würde sie erneut betreten, von Weitem betrachtet eine Wiederholung des bereits passierten, doch im Detail auf eine ganz eigene Weise charmant und neu.