Studienrichtung Verkehrswesen

Berufsfelder

BauingenieurInnen mit der Vertiefungsrichtung Verkehrswesen stehen vielfältige Möglichkeiten offen, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten in der Praxis anzuwenden. Am besten lässt sich dies anhand des Ent-stehungsprozesses eines Infrastrukturbauwerks beschreiben, wie ihn die Abbildung 1 zeigt.

Verkehr_03.jpg

Abbildung 1: Entstehungsprozess eines Infrastrukturbauwerkes

Ein erstes Handlungsfeld ist die konzeptionelle Verkehrsplanung, in welcher auf einer fachübergrei-fenden Ebene definiert wird, wie Mobilität in einem bestimmten Raum – einem Stadtteil, einem Dorf, einem Landkreis, deutschlandweit oder auch darüber hinaus – stattfinden und gelebt soll. Hier werden Ideen entwickelt, mit den Bürgern und den politischen Verantwortlichen diskutiert, verändert und optimiert. Fragestellungen der folgenden Art wollen gelöst werden:

  • „Welche Möglichkeiten bringen autonome Zubringerdienste für den ÖPNV im ländlichen Bereich?“
  • „Kann man mit einem Carsharingangebot die Verkehrssituation in einem bestimmten Stadtteil verbessern?“
  • „Wie ist es möglich, mehr Bürger zur Nutzung des Fahrrades zu animieren?“

Ein Nahverkehrsplan auf der Ebene eines Landkreises, der nationale Radverkehrsplan oder ein Konzept zur Citylogistik sind Ergebnisse solcher Fragestellungen. Es wird definiert, ob eine Straße neu gebaut oder nur ausgebaut wird -  oder ob es vielleicht gar keine Straße, sondern eine neue Straßenbahn oder eine neue Buslinie werden soll.

Diese und andere Aufgaben haben einen sehr starken technischen Aspekt, reichen aber auch weit in die Felder der Politik, der Steuer- und Finanzwirtschaft, der Psychologie, der Digitalisierung, der Architektur und des Städtebaus hinein, um nur einige zu nennen. VerkehrsplanerInnen arbeitet stark vernetzt in immer wieder neuen Teams. Zur erfolgreichen Bewältigung der Herausforderungen werden nicht nur technische Fähigkeiten, sondern in hohem Maße auch Kontaktfreudigkeit und soziale Kompetenzen gefordert.

Die entwickelten Ideen werden im Bereich der Verkehrsleitplanung weiter konkretisiert: Es wird geprüft, mit welchen Verkehrsmengen zu rechnen ist, ob die zu erwartenden Nutzerzahlen den Ausbau einer neuen Strecke rechtfertigen, oder ob die geplante Verkehrsbeeinflussungsanlage nach ihrer Fertigstellung vielleicht unwirksam wird, weil viele Fahrzeuge dann autonom unterwegs sind.

Die Gestaltung von Fahrplänen, die Dimensionierung der Abbiegestreifen von Knotenpunkten, die Konzeption einer „Grünen Welle“, die konkrete Ausgestaltung von Parkraum, die Berechnung des Verkehrsflusses in einem Kreisverkehr – all dies wird in dem Begriff Verkehrsingenieurwesen subsummiert. VerkehrsingenieurInnen legen fest, welchen Querschnitt ein Tunnel haben muss und wie er ausgestattet werden soll, damit er seine Verkehrswirksamkeit entfaltet.

Da es sich bei den Bauwerken der Infrastruktur oft um linienhafte Objekte handelt, kommt der Linienfindung oder der Vorplanung eine zentrale Bedeutung zu. Neben den rein geografisch – geometrischen Randbedingen, welche in der Regel durch die Topografie und die Flexibilität des Bauwerks definiert werden, müssen Fragen des Grunderwerbs, des Naturhaushaltes, des Lärmschutzes und viele mehr berücksichtigt werden. Hier ist ein intensiver Diskurs mit allen Betroffenen gefordert, welcher in der Regel durch das verwaltungsrechtliche Instrument der Planfeststellung begleitet wird.

Ist die Linienführung definiert, geht es an die konstruktive Ausgestaltung des Bauwerks:

  • „Welche Schichtdicken müssen in welchem Bereich der Straße vorhanden sein?“
  • „Wie sollen die Schwellen der Bahnlinie gegründet werden?“
  • „Sollen weiche Bodenschichten ausgetauscht werden, oder ist es besser, stabilisierende Maß-nahmen durchzuführen?“

Solche und ähnliche Fragen sind zu klären, bevor die Realisierung des Bauwerks begonnen werden kann:

In der Ausschreibung und der Vergabe werden die vertraglichen Grundlagen für das Bauwerk definiert. Mengen, Qualitätsstandards und auch die Kosten müssen vor Baubeginn bekannt sein, damit das Bauwerk nicht nur ein technischer, sondern auch ein wirtschaftlicher Erfolg werden kann.

Sind diese Grundlagen fixiert, kann die Bauüberwachung das Projekt übernehmen. Linienhafte Bauwerke der Infrastruktur bringen spezielle Herausforderungen hinsichtlich der Baustelleneinrichtung und der Logistik mit sich: oft ist die Erreichbarkeit der Baustelle schwierig und es sind extrem große Mengen bestimmter Baustoffe einzusetzen, so dass dem Materialtransport eine eigene, hohe Bedeutung zukommt. Häufig wird „unter Verkehr“ gebaut, wodurch die Planung der verschiedenen Bauabschnitte recht komplex werden kann. Kaum eine Baustelle ist so dem öffentlichen Interesse ausgesetzt wie eine Straßenbaustelle. Hier sind Taktgefühl, aber auch Entscheidungsfreudigkeit gefragt.

Ist das Infrastrukturbauwerk fertig, so muss es betrieben und instandgehalten werden. Betrieb und Unterhaltung liegen in der Regel im Verantwortungsbereich von Ingenieurinnen und Ingenieuren. Im Zeitalter der digitalen, „gläsernen“ Bauwerke werden Zustand, Unfallgeschehen, investierte finanzielle Mittel, Wegweisungen, passive Schutzeinrichtungen, Sichtbeziehungen und vieles mehr BIM-konform in Datenbanken abgelegt, auf welche die verschiedenen Verwaltungseinheiten direkten Zugriff erhalten können.

Potenzielle Arbeitgeber

Öffentliche Verwaltung

Ein sehr großer Teil der Verkehrsinfrastruktur steht in der Baulast der öffentlichen Hand. Kommunen und Städte, Landkreise, die Bundesländer und nicht zuletzt der Bund unterhalten und managen ein viele tausend Kilometer langes Straßennetz, welches hohen Anforderungen und starken Belastungen genügen soll und daher ständige Unterhaltung, Um- und Neubau erfordert. Neuartige Streckenmanagement-systeme, weiter entwickelte Fahrzeuge und immer strengere Umweltanforderungen müssen bei diesen Aufgaben berücksichtigt werden.
Von der konzeptionellen Neuausrichtung der Mobilität bis zur Planung der Unterhaltungsaktivitäten sind in der öffentlichen Verwaltung alle Aufgaben vorhanden.

Bauwirtschaft

Zur Umsetzung der Infrastrukturprojekte ist eine leistungsfähige Bauwirtschaft erforderlich. Die Baufir-men bieten von der Angebotskalkulation über die Ausführung mit der Detailplanung bis hin zur Bauüber-wachung und der Abrechnung unterschiedlichste Möglichkeiten, in den Beruf einzusteigen. In der Bau-wirtschaft wird real gebaut und umgesetzt – am Ende steht ein fertiges Bauwerk, auf welches alle Be-teiligten zurecht stolz sein können.

Ingenieurbüros

Mit der Planung von Mobilitätsangeboten und Infrastrukturanlagen werden insbesondere dann, wenn es um komplexe und anspruchsvolle Aufgaben geht, freie Ingenieurbüros beauftragt. Neben kleinen Büros mit wenigen MitarbeiterInnen und einem definierten Projektspektrum gibt es große, überregional und auch international tätige Ingenieurgesellschaften, welche von der Konzeption und der Vorplanung über die Ausführungsplanung bis hin zur Bauüberwachung Planungsleistungen in allen Bereichen anbieten.

Deutsche Bahn, Privatbahnen

Das Schienennetz liegt in der Regel in der Baulast der DB Netz AG, aber es gibt auch eine Vielzahl von Privatbahnen, welche über große Streckennetze verfügen. IngenieurInnen mit einem bahnfachlichen Hintergrund managen in diesen Betrieben alle das Streckennetz betreffenden Aufgaben. Neu- und Umbau zählen genauso dazu wie der Betrieb und die Unterhaltung.

Private Arbeitgeber

Firmen mit großen Liegenschaften verfügen in der Regel immer über eine Abteilung, welche für die In-standhaltung und die Erweiterung der baulichen Anlagen verantwortlich ist. Zu diesen Firmen zählen zum Beispiel die großen Autohersteller, Hafenbetreiber oder auch Flughafengesellschaften. Hier ist man gefordert – ähnlich wie in der öffentlichen Verwaltung – für einen bestimmten Bereich die Infrastruktur in einem solchen Zustand bereitzuhalten, dass sie von den Nutzern ohne Produktionsausfälle oder Ver-spätungen in Anspruch genommen werden kann.

Sonstige

Zurzeit (Frühjahr 2019) steht der Mobilitätssektor weltweit in einem Umbruch. Zahlreiche neue Ideen werden geboren – viele davon verschwinden wieder, aber einige schaffen als StartUps den Weg in die kommerzielle Nutzung. Wenn man Begriffe wie Hooverbike, Hyperloop, moovel, Lilium Jet oder Vahana googelt, dann ist zu spüren, dass für VerkehrsingenieurInnen neue interessante Herausforderungen wachsen, welche heute nur erahnt, aber noch nicht konkret benannt werden können.

Kenntnisse und Fähigkeiten

Das Studium des Bauingenieurwesens mit der Vertiefungsrichtung Verkehrswesen ermöglicht es den AbsolventInnen, bei einem Arbeitgeber ihrer Wahl den Berufseinstieg erfolgreich zu gestalten, wenn man im „Bereich Verkehr“ tätig werden möchte. Die Studieninhalte können im Modulkatalog nachgelesen werden: Modulkatalog Bau

Der Abschluss des „Bachelor of Engineering“ ist berufsbefähigend und berechtigt nach Maßgabe des niedersächsischen Ingenieurgesetzes zum Tragen des Titels „Ingenieur“ oder „Ingenieurin“.

Berufschancen

Die Berufschancen für BauingenieurInnen, welche den Bereich Verkehrswesen vertieft haben, sind zur-zeit (Frühjahr 2019) außerordentlich gut.

Hinsichtlich der Infrastruktur der verschiedenen Verkehrssysteme hat Deutschland – und darin unter-scheiden wir uns nicht von den meisten anderen europäischen Ländern – einen sehr großen Nachholbe-darf. Viele Projekte können nur mit einem großen zeitlichen Verzug realisiert werden, weil das notwen-dige Fachpersonal auf allen Stufen der Umsetzung fehlt. Daher wird in der Regel auch Berufsanfängern die Möglichkeit gegeben, sich von Grund auf in dieses Berufsfeld einzuarbeiten.

Weiterhin steht kaum ein Bereich vor so großen Umwälzungen wie der Verkehrssektor. Die Diskussio-nen um umweltneutrale Mobilität, autofreie Stadtquartiere und nachhaltigen öffentlichen Verkehr thema-tisieren nicht nur die Feinstaubbelastung in den Städten und den Klimawandel, sondern zielen auch auf grundlegende Änderungen althergebrachter Wirtschafts- und Verhaltensweisen. Die aktuellen Umbrüche bei den großen Automobilherstellern mögen ein Beispiel hierfür sein. Für diesen Wandel wird die fachli-che Expertise von VerkehrsplanerInnen dringend benötigt.