Karin Kuhlmann und Marie Schnieders | Projekt II | Waldorfkindergarten
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Mit der Grundlage der Analyse der Umgebung und der Auseinandersetzung mit der anthroposophischen Philosophie haben wir drei Ziele und Schwerpunkte für unseren Entwurf des neuen Waldorfkindergartens entwickelt: Einerseits muss die Nachhaltigkeit den Entwurf und somit auch die Konstruktion und das Energiekonzept bestimmen. Andererseits soll der Kindergarten spannende Räume erzeugen, die der Fantasie der Kinder freien Lauf lässt und Möglichkeit bietet eigenen Erfahrungen zu sammeln und Gelerntes zu festigen. Zudem ist die Naturverbundenheit und der Respekt zur bestehenden Vegetation ein Entwurf bestimmendes Element.
Städtebaulich orientiert sich das Gebäude an der Grundstücksgrenze des Weges, um mit einer wegbegleitenden Bebauungskante den Straßenraum baulich zu fassen. Zeitgleich bietet es einen Sichtschutz vom Weg, um ausreichend Privatsphäre der Gartenspielfläche zu schaffen. Die gewählte Anordnung bietet dem Neubau zudem eine größtmögliche natürliche Belichtung durch die große Verschattung der zu erhaltenen umrahmenden Vegetation.
Der Riegel springt im nördlichen Teil zurück, um den vorhandenen Baum zu respektieren. Das Abrunden des Gebäudes durch radiale Geometrie schafft ein harmonisches gleichwertiges Volumen. Der Baukörper ist größtenteils eingeschossig, um die Barrierefreiheit und die Verbindung zum Außenraum zu gewährleisten. Das Dach des transformierten Riegels steigt entlang Straßenseite hin an, sodass aus einer Eingeschossigkeit im Süden eine Zweigeschossigkeit im Norden wird. Durch den Rücksprung im nördlichen Bereich und dem geschaffenem Hochpunkt wird eine Eingangszone gebildet.
Vom Haupteingang gelangt man in die großzügige Eingangshalle, die durch eine mobile Trennwand zum Mehrzweckraum erweiterbar ist. Durch die Grundrissgestaltung mit der zentralen Einheit aus der Eingangshalle, dem Mehrzweckraum und den WCs bietet sich eine interessante zusätzliche Nutzungsoption für Veranstaltungen außerhalb des Kindergartenbetriebs. Im Norden und Süden grenzt jeweils ein Gruppenraum mit zugehörigen Funktionen an. Die beiden Aufenthaltszonen haben jeweils eine eigene Küchenzeile zum gemeinsamen Kochen sowie eine Empore über dem Sanitärbereich. Diese bietet zusätzliche Spielfläche und schafft interessante Raumqualitäten. Die Schmutzschleuse ist mit dem Sanitärbereich gekoppelt. Der Therapieraum und der Differenzierungsraum grenzen direkt an, um eine mögliche Verbindung zu erleichtern. Die repräsentativen Räume orientieren sich nach Osten und haben einen direkten Außenzugang. Die Funktions- und Nebenräume sind, als Rückgrat des Hauses, auf der Westseite entlang der Straße untergebracht. Die verschiedenen Zonen des Kindergartens sind alle über die Erlebnisfläche miteinander verbunden.
Die Erlebnisfläche im Kern des Gebäudes löst die strenge Geometrie der Architektur auf und schlängelt sich „wie eine Raupe“ durch das Gebäude. Zusammen mit der Eingangshalle bildet sie hier der Mittelpunkt des Kindergartens und ein Ort des Zusammenkommens und der Kommunikation. Verschiedene Ebenen, die sich über das gesamte Gebäude erstrecken, symbolisieren die Bewegung der Raupe. Die Höhenversprünge sorgen zudem für eine Gliederung und schaffen eine räumliche Zonierung. Im Bereich der Erschließung sind Rampen vorhanden, um trotz der verschiedenen Ebenen die Barrierefreiheit zu gewährleisten. Der aus dem Grundriss projizierte Dachaufbau sorgt für eine durchgehende natürliche Belichtung. Organisch geschwungene Holzrahmen dienen dem Tragwerk und lassen einen skelettartigen Innenraum entstehen. Die geschwungenen Formen und die Oberlichter sorgen für interessante Eindrücke und wecken Neugier. Je nach Standort des Betrachters und Sonneneinstrahlung verändert sich die Wahrnehmung des Raumes.
Der Kindergarten wird in einer Holzrahmenkonstruktion errichtet. Die vorgefertigten Bauelemente setzen somit hinsichtlich des Wärmeschutzes und der Lebenszykluskosten ökologisch Maßstäbe. Alle Materialien verfügen über eine der Bauaufgabe angemessene Langlebigkeit, sortenreine Trennbarkeit und Robustheit. Im Inneren sorgt Lehmputz für einen hohen ökologischen Wert, fördert ein reizarmes Innenraumklima, gleicht Differenzen der Luftfeuchtigkeit aus, absorbiert Schall und bindet Giftstoffe. In den Aufenthaltsräumen sind die Decken mit schallabsorbierenden Holz- Akustikdecken und der Fußboden mit Kork ausgestattet. Das Dach wird als Flachdach mit extensiver Dachbegrünung ausgeführt. Moose, Wildblumen und Kräuter geben der Natur ein Teil ihres Raumes zurück und schaffen einen Lebensraum für Insekten.
In der Fassade lässt sich die Grundrissgestaltung abzeichnen. Die Westansicht, mit den dahinter liegenden Funktionsbereichen, zeigt sich eher geschlossen zum Weg. Die Lochfassade aus quadratischen Holzfenstern mit unterschiedlichen Brüstungshöhen deutet auf die Höhenversprünge im Inneren hin. Die Ostfassade ist geprägt von großflächigen Pfosten- Riegel- Fassaden und öffnet den Blick in den naturnahen Außenraum. Dem sommerlichen Wärme- und Blendschutz dienen außenliegende Faltscherenläden aus Holz. Als Fassadenmaterial dienen vertikale witterungsbeständige Dreischichtholzplatten sowie vorstehende Hölzer. Durch den sich wiederholenden Vorsprung in der Gestaltung wird die Fassade gegliedert und integriert das Gebäude in den vorhandenen Baumbestand.
Der Außenraum ist sehr naturnah gehalten und nimmt durch geschwungene Elemente den Bezug zum Innenraum des Gebäudes auf. Auch die verschiedenen Ebenen des Inneren spiegeln sich außen wider, sodass überall ein ebener Ausgang ermöglicht wird. Der im Bestand vorhandene Wasserzug wird zu einem bespielbaren Wasserlauf mit Pumpe umgeformt. Wenig versiegelte Fläche soll der Gartenspielfläche möglichst viel Freiheit lassen.
Die gewählte kompakte Bauweise ermöglicht es, den Energiestandard KfW-55 zu erreichen. Durch einen zeitgemäßen Wärmeschutz und hohe Energieeffizienz können niedrige Betriebskosten realisiert werden. Das Gebäude wird durch die regenerative Energie von Erdsonden und einer Sole- Wasser- Wärmepumpe beheizt. Alle Aufenthaltsräume weisen eine Fußbodenheizung auf. Die Lüftung erfolgt vorrangig über natürliche Fensterlüftung. Eine passive entwurfsbestimmende Wärmeschutzmaßnahme ist der Dachaufbau mit den integrierten Oberlichtern. Diese erlauben es, warme Luft über Querlüftung am höchsten Punkt schnell abzuführen und ermöglichen über eine automatisierte Nachtlüftung eine Absenkung der Innenraumtemperaturen im Sommer. Eine Regenwasserzisterne fängt den anfallenden Niederschlag auf und bereitet es zu Brauchwasser auf. Dies führt zu einen geringeren Trinkwasserbedarf und somit sinkenden Kosten.
Im Inneren entsteht durch Holzrahmen in organischen Rundungen ein spannungsvoller interessanter Raum. Die Rahmen ziehen sich durch die gesamte Länge des Kindergartens und leiten den Weg zu den Gruppen sowie den anderen Funktionsräumen. Als Herzstück des Gebäudes umrahmen sie die Erlebnisfläche und betonen diese. Des Weiteren ermöglicht das Auskragen der tragenden Rahmen in der Vertikalen eine natürliche Belichtung und eine Frischluftzufuhr durch Lichtbänder.
Acht Zentimeter dicke Holzplatten aus Funierschichtholz des Herstellers Kerto werden maßgeschneidert vorgefertigt und weisen folglich einen minimalen Verschnitt auf. Somit bleiben die Materialkosten angemessen und die Herstellung ist ressourcenschonend.